Ausgabe 9/2020 vom 20. September 2020
Am 21. September ist Welt-Alzheimertag
Immer noch glauben zu viele Menschen, dass Demenz ein normaler Teil des Alterns sei. Trotz einer steigenden Zahl von Menschen mit Demenz fehlt es in Deutschland an ausreichenden Unterstützungskonzepten für sie und ihre Familien. Und noch immer trauen sich viele Menschen nicht, darüber zu sprechen, dass sie oder ein naher Angehöriger eine Demenzdiagnose erhalten haben, weil sie – berechtigte – Sorge haben, deswegen ausgegrenzt und diskriminiert zu werden.
Eine Demenz führt oft zu ungewöhnlichem Verhalten: im Alltag, beim Einkaufen, bei der Arbeit, beim Sport. Wichtig ist, dass sich Freunde, Familie, Nachbarn und Mitbürger nicht abwenden, sondern über die Erkrankung reden. Menschen mit Demenz wollen weiterhin an gemeinsamen Aktivitäten teilhaben, ihre Hobbys und den Alltag möglichst selbstbestimmt gestalten. Dazu braucht es mehr Wissen und Verständnis in der gesamten Gesellschaft. Wenn wir miteinander ins Gespräch kommen, erleben Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, dass sie trotz der Erkrankung akzeptiert werden und dazugehören.
Leben mit Demenz – in diesem Jahr eine besondere Herausforderung
Die Corona-Pandemie bedeutet für Angehörige von Menschen mit Demenz eine außerordentliche Belastung. Sie haben mit besonderen Problemen zu kämpfen und sind dabei in den zurückliegenden Monaten vielfach an ihre Grenzen gekommen.
Eine Demenzdiagnose schneidet tief ins Leben ein. Für die Erkrankten und ihre Angehörigen verändert sie den Alltag grundlegend und unwiderruflich, indirekt betroffen sind oft aber auch Nachbarn und Freunde, das Sportteam im Verein, der Kirchenchor oder die Bürogemeinschaft.
Im Laufe der Erkrankung müssen Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen den Alltag immer neu abstimmen: Was ist noch möglich, was gelingt nicht mehr? In der ersten Phase ist es vor allem wichtig, sich zu informieren, für die Zukunft vorzusorgen und dabei so lange wie möglich trotz und mit der Erkrankung am Leben teilzuhaben. Schwierigkeiten – etwa bei der Orientierung – können in dieser Phase zumeist noch ausgeglichen werden, wenn die Menschen im Umfeld gut informiert sind und einfühlsam und rücksichtsvoll reagieren.
Schreitet die Krankheit voran, nimmt die Selbstständigkeit ab und der Unterstützungsbedarf zu. Wie schnell eine Demenz voranschreitet, ist individuell unterschiedlich und nicht vorherzusagen. In dieser Phase werden unterstützende und entlastende Angebote wie Betreuungsgruppen oder Tagespflegen immer wichtiger, denn rund zwei Drittel aller Menschen mit Demenz werden zuhause versorgt, eine oft kräftezehrende Aufgabe rund um die Uhr. Nur etwa ein Drittel der Erkrankten lebt im Pflegeheim, vielfach auch dort unterstützt und begleitet von den Angehörigen.
Das Leben mit Demenz – schon in normalen Zeiten eine Herausforderung – wurde in diesem Jahr für viele zu einer (er-)drückenden Belastung. Den Angehörigen fehlten über Monate Entlastungsangebote wie Tagespflegen und Betreuungsgruppen sowie die Kontakte zu Familienmitgliedern oder Freunden, die wegen der Kontaktbeschränkungen auf Besuche verzichten mussten. Zudem war es meist schwierig, Menschen mit Demenz die unvertrauten Gebote und Verbote zu vermitteln. Auch Besuche im Pflegeheim waren über lange Zeit gar nicht möglich und die Sorge der Angehörigen groß, nach Wochen der Abwesenheit nicht mehr erkannt zu werden.
Die besonderen Belastungen der Angehörigen von Menschen mit Demenz würdigt die Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg mit der Geschenk-Aktion "Einen Augenblick bitte …"
Eine schön gestaltete Grußkarte und ein Seifenstück sollen Angehörige von Menschen mit Demenz daran erinnern, einen Moment innezuhalten und sich selbst etwas Gutes zu tun. Die Seifenstücke wurden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Betreuungs- und Angehörigengruppen, Pflegestützpunkten, Demenzberatungsstellen sowie Häuslichen Betreuungsdiensten bei uns bestellt und von diesen an die Angehörigen weitergegeben.
Ich wünsche Ihnen einen guten Austausch und gute Erfahrungen rund um die Woche der Demenz und den Welt-Alzheimertag 2020, die in diesem Jahr sicher anders gestaltet werden als gewohnt, aber auch die Chance bieten, neue Wege für das Reden miteinander zu erproben.
Ihre
Ute Hauser
Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg
Welt-Alzheimertag + Woche der Demenz 2020: Was, wann, wo?
Sprachleitfaden Demenz
Eine respektvolle Sprache sieht den Menschen, seine Ressourcen, die erhaltenen Fähigkeiten, die Persönlichkeit mit ihren Lebenserfahrungen und Gefühlen im Vordergrund und vermeidet Stigmatisierung und Diskriminierung (...) Es ist wichtig zu respektieren, welche Begriffe die Menschen, um die es geht, bevorzugen. Und zwar unabhängig davon, ob sie bei einem Gespräch anwesend sind oder nicht.
Die Worte, die wir wählen, beeinflussen Menschen mit Demenz und ihr engeres und weiteres soziales Umfeld sowie die gesamte Öffentlichkeit in einer entscheidenden Art und Weise. Sie beeinflussen die Stimmung, das Selbstwertgefühl und Gefühle wie Freude oder Niedergeschlagenheit der Einzelnen, und sie haben Einfluss darauf, was andere Menschen über Demenz denken (aus dem Vorwort zum Leitfaden).
Passend zum Motto des Welt-Alzheimertages "Demenz – wir müssen reden!" haben die Deutschsprachigen Alzheimer- und Demenz-Organisationen (DADO) einen lesenswerten Leitfaden herausgegeben, der sich einer angemessenen Sprache beim Thema Demenz widmet.
Virtuelle Vorlese-Aktion für Kinder und Jugendliche zum Welt-Alzheimertag
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft lädt gemeinsam mit der Journalistin Peggy Elfmann und der LeseLounge e.V. zur ersten virtuellen Vorlese-Aktion für Kinder und Jugendliche rund um das Thema Demenz ein.
Am Welt-Alzheimertag und in der Woche der Demenz vom 21.-27. September lesen Kinder, Jugendliche und Erwachsene jeweils von 14:00-18:00 Uhr im digitalen LeseLounge-Wohnzimmer aus verschiedenen Kinder- und Jugendbüchern vor, die das Thema Demenz behandeln.
Foto-Aktion zum Welt-Alzheimertag 2020: "Du bist toll, weil ..."
Viele Menschen kümmern sich um Menschen mit Demenz: Angehörige, Beratungs- und Betreuungskräfte, ehrenamtlich Tätige, Pflegekräfte und Ärzte. Sie alle engagieren sich für einen offenen Umgang mit der Diagnose Demenz und setzen sich in ihrem persönlichen Umfeld für eine demenzfreundliche Gesellschaft ein.
Zum Welt-Alzheimertag möchte die Deutsche Alzheimer Gesellschaft dieses Engagement ehren. Mit einer Foto-Aktion stellt sie den ganzen September über auf ihrer Website Menschen vor, die Demenzerkrankte begleiten, betreuen und pflegen.
Dort erfahren Sie auch, wie Sie selbst jemandem auf diese Art danken können.
Welt-Alzheimer-Report 2020
Der englischsprachige Report der Welt-Alzheimer-Organisation Alzheimer's Disease International (ADI) mit dem Titel Design, Dignity, Dementia: dementia-related design and the built environment wird am 21.09. veröffentlicht und kann dann hier heruntergeladen werden.